Wie viele Sportarten können Sie am Bildschirm aus der üblichen Entfernung erraten, ohne hineinzuzoomen um herauszufinden, um welche Sportarten es sich tatsächlich handelt?
Die 33. Olympischen Sommerspiele werden 2024 in Paris stattfinden. Das Logo der Olympiade ist bereits seit 4 Jahren bekannt. Im Februar wurde auch die begleitende visuelle Identität der Spiele einschließlich des Designs der Piktogramme offiziell vorgestellt. Die Icons der Sportarten von Paris 2024 unterscheiden sich erheblich von denen früherer Spiele. Sie sehen zwar eventuell schön aus, aber sind sie auch nützlich?
Das Gestaltungsprinzip der Piktogramme
Das Gestaltungssystem, welches den „Piktogrammen“ zugrunde liegt, basiert auf drei Komponenten:
- Einer verdrehten Doppelspiegelung in Form eines X-Kreuzes die zum Teil horizontal oder vertikal und zum Teil im 45-Grad Winkel erfolgt.
- Einer Darstellung des jeweiligen sportlichen Gegenstandes, der zur Ausübung der Sportart benötigt wird, aber nicht immer (z.B. Skateboard).
- Und häufig eine Darstellung des Geländes der Sportart, wobei das ebenfalls nicht einheitlich ist. Manchmal werden stattdessen zusätzliche Accessoires gezeigt.
Allen „Piktogrammen“ gemein ist, dass sie keine Athleten symbolisieren und sehr verspielt gestaltet sind.
Die Piktogramme der Olympischen Spiele 2024: Eine Einordnung
Bei der Gestaltung von Piktogrammen lassen sich drei wesentliche Rubriken unterscheiden nach denen man die Bildzeichen bewerten kann: Die Ästhetik, der Inhalt und die grafische Form (Design und Funktion).
Ästhetik: Darüber lässt sich zwar streiten, aber nichts konkretes sagen. Denn jeder darf die Icons ansprechend oder eben »nicht schön« finden. Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks und der steht jedem zu, so wie er eben ist. Wer Pizza mag, isst Pizza, wer lieber einen Burger verzehrt, wendet sich eben diesem zu. Wer allerdings möglichst viele Fans gewinnen will, der müsste sich dann zumindest an aktuellen Trends orientieren und nicht an seinen persönlichen Vorlieben. Ob das hier gelungen ist, überlasse ich dem jeweiligen Betrachter zu beantworten.
Die Ästhetik lässt sich nicht objektiv bewerten, das kann nur jeder für sich selbst tun.
Inhalt: Die Bildzeichen sollen Sportarten repräsentieren.
- Manchmal wird ein Sportgerät abgebildet (z.B. Rudern), manchmal nicht (z.B. Sportschießen – da das zu gewalttätig ausgesehen hätte ist hier die Begründung) und manchmal werden viel zu viele Gerätschaften (z.B. Basketball) gezeigt.
- Dass es sich um Sport handelt, den Menschen ausführen und nicht um die Bewerbung rein technischer Produkte, ist auf den ersten Blick nicht zu erahnen. Würden diese Piktogramme in einem Kaufhaus hängen und Produktbereiche abtrennen, so würden sie dort nicht deplatziert wirken.
- Manchmal wird die Anlage gezeigt, in der die Sportart ausgeübt wird, manchmal nur die Sportutensilien.
Der Inhalt ist also nicht eindeutig definiert und variiert sehr stark innerhalb der Piktogramme.
Grafische Form (Designkonzept): Beleuchten wir zunächst ein paar rein formale Aspekte hinsichtlich gestalterischen Konzeptes.
- Die meisten Icons haben ein quadratisches Format (60) bis auf zwei: Fußball und Handball verwenden ein rechteckiges Format (2). Das lässt sich nicht nachvollziehen und stört das Gesamtkonzept unnötig.
- Es gibt viel zu viele Linienstärken und Arten. Einmal wird »dünnflüssiges« Wasser dargestellt wie beim Langstreckenschwimmen und einmal »dickflüssiges« Wasser wie beim modernen Fünfkampf, aber warum?
- Manchmal werden Linien dick gestrichelt (Kanu) manchmal dünn gestrichelt (Rugby) ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt. Viele Linien sind zu dünn oder zu nahe beieinander, brechen weg oder »verschmelzen« ungünstig.
- Meisten sind die Formen sehr streng und ohne Überlappungen (extrem ausgeprägt bei den Pferdeköpfen), außer bei der rhythmischen Sportgymnastik, da ist das Band geradezu verschnörkelt verspielt. Diese beiden Darstellungen beißen sich.
- Manchmal ist fast das ganze Icon aus Flächen aufgebaut (besonders ausgeprägt beim Dressurreiten) und manchmal fast nur aus einer Strichstärke (Beach Volleyball)
- Manchmal wird eine Linie aus einer Outline gebildet (Gewichtheben) und manchmal aus einem Strich (Hockeyschläger). Auch hier gibt die Form selbst keinen Hinweis darauf, warum das so angelegt wird.
- Manchmal wird doppelt gespiegelt (Tennis), manchmal einfach (Leichtathletik), manchmal überhaupt nicht (Vielseitigkeitsreiten) und manchmal werden Gegenstände einfach im Kreis rotiert (Surfen – sogar fünf mal).
Was also bei genauerer Betrachtung auffällt ist, dass das Designkonzept formal weder stringent, noch einheitlich ist. Die Gestaltung der Piktogramme ist in einem erheblichen Maße, nach formalen Kriterien betrachtet, beliebig. Nur in der Masse aller 62 Symbole erscheinen diese kohärent gestaltet. Das liegt daran, dass alle Bildzeichen einfach aus sehr vielen Elementen bestehen und in der Gesamtschau dann miteinander verschwimmen. Das ist verspielt, aber es ist definitiv kein gestalterisches Konzept, das dem Niveau der sportlichen Leistungen gerecht wird.
Ein exklusives Design nur für Kurzsichtige?
Olympische Spiele benötigen Piktogramme, um die Zuschauermassen aus aller Welt zu leiten. Viele der Besucher dürften kein Französisch sprechen und auch in Englisch oft nur schlecht bewandert sein. Die Piktogramme richten sich in erster Linie an diese Millionen Besucher, um ihnen den Besuch der Sportstätten dennoch zu erleichtern. Aber wer soll diese Piktogramme schnell erkennen und unterscheiden (Rudern oder Kanu, Boxen oder Gymnastik)?
Grafische Form (Stichpunkt Funktion): Bleibt als letztes noch die Betrachtung der funktionalen Aspekte, denen die Piktogramme gerecht werden sollten.
- Die Piktogramme sind aufgrund ihrer sehr filigranen Darstellung absolut nicht inklusiv gestaltet. Menschen mit geringsten Sehbehinderungen dürften sie bereits nur sehr schwer verstehen oder unterscheiden können. Wer nicht gestochen scharf sieht sollte also früh vor Ort sein!
- Bereits aus geringfügig weiterer Entfernung als der üblichen Lesedistanz beginnt jedes Icon ein starkes, visuelles Eigenleben zu entwickeln. Es wabert und flirrt und ich bin sehr gespannt, wie das passende Wegeleitsystem dazu aussehen wird. Wenn Besucher hektisch ihre Sportstätten suchen und immer wieder nachschlagen müssen, was einige »Zeichen« zu bedeuten haben (Skateboard, Turmspringen oder Rugby).
Piktogramme sind symbolische Zeichen, die eine Idee repräsentieren, und textliche Informationen visuell unterstützen. Sie sind Teil eines Kontextes und sollen es ermöglichen, dass auch für Menschen, die andere Sprachen sprechen, die Informationen dennoch lesbar und schnell erschließbar sind. Sie sollen einen zusätzlichen Kommunikationskanal eröffnen.
Aus dieser Betrachtung heraus lässt sich die grafische Form, somit in der Summe sehr genau bewerten: Sie wirkt an vielen Stellen beliebig, sogar widersprüchlich und vor allem wird sie ihrer Funktion nicht gerecht!
Fazit zum Piktogramm-Design der Olympischen Spiele in Paris 2024
Jenseits aller persönlichen ästhetischen Empfindungen, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass die Piktogramme aus rein gestalterisches Sicht einfach nicht gut gelungen sind. Sie entsprechen nicht ihrer Funktion und unterstützen diese auch nicht durch ein griffiges, transparentes Konzept.
Die Piktogramme für die 62 Sportarten der Olympischen Spielen in Paris wirken eher wie Ornamente aus dem Art Déco, wie Etienne Cordero auf LinkedIn sehr schön vergleicht. Bei genauerer Betrachtung fehlt es diesen Symbolen an den grundlegenden Funktionen, die mit Piktogrammen verbunden sind, insbesondere im Bereich der Semiotik.
Vielleicht besitzen sie auf manchen Betrachter eine ästhetische Anziehungskraft, aber sie bleiben leider nur dekorative Muster und keine informativen Symbole. Egal aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet, sie scheinen mehr ein spielerisches Rätsel als Informationen klar zu kommunizieren. Aufgrund ihrer formalen Überladung mit schmuckartigen Details erinnert sie eher an preziöse, inkonsistente Wappen denn an verständliche Kommunikationsmittel.
Anbei eine kurze Erklärung mit allerlei Herleitungen und Ausnahmen auf arte